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Mögen vs. Wollen - Das Potenzial des Wollens (II)

Angst vor dem Glücklichsein (Fear of Happiness) kann sich zwar oberflächlich sehr unterschiedlich ausdrücken, hat aber immer den gleichen Ursprung. Es ist die Angst, dass man nicht mehr genügend motiviert wäre, um seine Ziele zu erreichen. Der Mensch wählt Unglücklichsein als zusätzliche Motivation, diese Gleichung geht jedoch langfristig selten auf.

 

Ernste Verwirrung entsteht dadurch, dass Menschen glauben, sofern sie rundum glücklich wären, würden sie nichts mehr tun, was sie nicht mögen. Jedoch wissen sie, dass bestimmte To-Do´s eventuell notwendig sein könnten, damit man das hochgesetzte Ziel erreichen kann.

 

Beispiel: Wer einen durchtrainierten und schlanken Körper haben will (Wollen), wird glauben, dass er um das Thema Training und Ernährung nicht drum kommt. Training und Ernährung wird jedoch als etwas wahrgenommen, dass man nicht wirklich mag. Wenn ich etwas tue, was ich nicht mag, kann ich nicht glücklich sein. Bin ich also glücklich, werde ich nicht tun, was vielleicht notwendig ist, damit ich mein Ziel erreiche.

 

"Die Erkenntnisse der letzten 20 Jahre der neurowissenschaftlichen Motivationsforschung deuten stark darauf hin, dass es nicht ausreicht, etwas als angenehm zu empfinden, um einen motivierenden Zustand zu erzeugen; tatsächlich können das Mögen von etwas und der Wunsch (Wanting), es zu wiederholen, voneinander getrennt sein. In einer ausgezeichneten Übersicht über neurowissenschaftliche Modelle der Motivation und ihre Relevanz für die Bildung schreibt Kim (2013):

 

´Das bedeutet, dass ein Zustand des Mögens eines bestimmten Objekts oder einer bestimmten Aktivität nicht als motivationaler Zustand verstanden werden kann und dass Mögen keine Voraussetzung für die Erzeugung von Motivation ist. Aus dieser Perspektive bezieht sich das Mögen auf einen emotionalen Zustand, während das Wollen mehr mit Motivation zu tun hat (Berridge und Aldridge, 2008).´"

 

In weiteren neurowissenschaftlichen Forschungen kam man zu folgendem - hochinteressanten - Ergebnis: 

 

"Mögen und Wollen scheinen von getrennten Gehirnsystemen gesteuert zu werden. Berridge (2003) fand heraus, dass sie tatsächlich von verschiedenen, anatomisch getrennten Regionen des Nucleus Accumbens (NAcc) verarbeitet werden, die unabhängig voneinander arbeiten können. Darüber hinaus können Mögen und Wollen unterschiedliche Neurotransmitter involvieren (...). Berridge kam zu dem Schluss, dass Dopamin nur wichtig ist, um den Grad des Wollens ̶eines Reizes zu erhöhen und damit wiederum einen motivierenden Zustand zu erzeugen (...)."

 

In dieser Untersuchung fand man heraus, warum auch "glückliche Menschen" durchaus Dinge tun, die sich nicht mögen. Mögen hat keinen Einfluss auf die Motivation. Wir können etwas mögen, jedoch wenn es nicht unserem Wollen entspricht, werden wir nicht tun, was wir mögen. Wir können aber auch etwas nicht mögen, wenn es aber unserem Wollen entspricht, werden wir tun, was wir nicht mögen. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, dass wir etwas tun, was wir mögen UND es unserem Wollen entspricht. 

 

Diese beiden Fälle möchte ich noch mal genauer analysieren. 

 

1. Wir tun etwas, was wir nicht mögen, weil es unserem Wollen entspricht. 

 

2. Wir tun etwas, was wir mögen, weil es unserem Wollen entspricht. 

 

Beide Tätigkeiten sind zielführend zur Erreichung des Gewollten. Wir werden jedoch unterschiedliche Emotionen bei der Tätigkeit fühlen. Mögen ist ein emotionaler Zustand, während Wollen - hier in neurowissenschaftlicher Definition - mit Motivation gleichzusetzen ist. 

 

Es ist interessant, dass eine Aussage die Bruce Di Marsico bereits vor 50 Jahren getroffen hat, heutzutage wissenschaftliche Bestätigung findet.

 

"Wollen ist die einzige, beste und alternativlose Motivation, um das Ziel zu erreichen. Aus dem Wollen werden wir auf natürliche Weise die notwendigen Schritte unternehmen." - Bruce Di Marsico 

 

Wir können etwas nicht mehr wollen, als wir es wollen und wir können etwas nicht weniger wollen, als wir es wollen und aus diesem Wollen ergibt sich die Motivation. Das ewige Suchen nach Motivation ist unsinnig. 

 

Weiterhin lässt dies erkennen, weshalb Glücklichsein kein emotionaler Zustand ist. Wäre Glücklichsein ein emotionaler Zustand, müssten wir alles mögen, damit wir glücklich sind. Es gibt sogar einige spirituelle, religiöse und philosophische Lehren, die dies zum Ziel erklärt haben; sie leiden jedoch an ihrer eigenen Illusion und vermischen Mögen mit Wollen. 

 

Die Angst vor dem Glücklichsein ergibt sich ebenso nur aus dieser Vermischung. Sofern ich glaube, dass Glücklichsein ein rein emotionaler Zustand ist, werde ich nicht drumherum kommen, mit allem - gewollt oder ungewollt - einverstanden zu sein. Und es ist nachvollziehbar, dass dies Angst macht. Eine Mutter will höchstwahrscheinlich nicht mögen, dass ihr Kind einen schweren Unfall hatte. Doch sofern sie glaubt, dass Glücklichsein ein emotionaler Zustand ist, zwingt sie sich zu einer künstlichen Wahl: Entweder ich zwinge mich dazu, etwas zu mögen, was ich nicht mag oder ich bleibe bei meiner Abneigung und bin dafür weiterhin unglücklich. Entweder-oder! 

 

Die neusten wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen uns, dass Glücklichsein weit weniger ein emotionaler Zustand ist. Es ist eher das Wissen darüber, dass das Wollen des Menschen immer seine Motivation ist. Das bedeutet: Der Mensch bewegt sich ausnahmslos in die Richtung seines Wollens. Das höchste Wollen des Menschen ist nichts anderes als immer glücklicher zu werden. Somit benötigt es keine unnatürliche Kontrolle der inneren Gegebenheiten (Fühlen, Reagieren, Denken und Handeln), um dem Wollen Ausdruck zu verleihen. Eher führt dieser Kontrollwahn in die entgegengesetzte Richtung (vgl. ironischer Prozess). 

 

Es ist also nicht überraschend, dass der Glückliche ungefragt auch Dinge tut, die er nicht mag und sich dabei gut fühlt, weil er weiß, dass es lediglich ein Ausdruck seines Wollens ist. Dies ist natürlich auch auf das Denken, Reagieren und Fühlen anwendbar. 

 

Es ist auch ersichtlich, warum das Tun des Glücklichen effizienter ist. Es erfüllt alle Kriterien für den Flow-Zustand; doch das wäre ein Artikel für sich.

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