Geschrieben von Kevin Kunert
Viele Menschen hängen an den Glauben, dass Unglücklichsein ein emotionaler Zustand wäre. Dieser Mythos ist aus einem bestimmten Grund weit verbreitet und in diesem Beitrag möchte ich diesen Mythos endgültig widerlegen.
Bestimmte emotionale Zustände werden gerne mit Unglücklichsein gleichgesetzt - als wäre das eine auch das andere. Angst, Wut, Traurigkeit, Schuld, Einsamkeit, Hilfslosigkeit sind nur wenige Beispiele emotionaler Zustände, welche als unglücklich bezeichnet werden.
Doch wie entstehen überhaupt unsere Emotionen? Unsere Emotionen entstehen durch unsere Bewertungen und unsere Bewertungen werden von unseren Werten und Glaubenssätzen beeinflusst. Der Mensch bewertet in drei Kategorien: Abneigung (Nicht-Mögen), Neutralität oder Zuneigung (Mögen). Natürlich gibt auch noch unterschiedliche Intensitätsstufen: Mehr-Mögen vs. Weniger-Mögen. Je nachdem wie der Mensch eine Situation (imaginativ oder real) bewertet, wird er verschiedene Emotionen fühlen.
Was ist das Hauptmotiv des Unglücklichseins? Fragt man einen unglücklichen Menschen, was er befürchtet, wenn er sich in einer gegebenen Situation erlauben würde, glücklich zu sein, kommt letztendlich immer die gleiche Antwort: "Wenn ich glücklich wäre, dann wäre mir die Situation egal und ich hätte keinerlei Motivation etwas daran zu verändern."
Unglücklichsein ist also ein scheinheiliger Motivations-Booster. Der Mensch wählt das Unglücklichsein, weil er sich dadurch einen Lohn verspricht: Mehr Motivation (oder überhaupt Motivation) um eine Situation, die er in den meisten Fällen nicht mag, zu verändern.
Warum ist es scheinheilig? Weil Unglücklichsein keine zusätzliche Motivation bringt, sondern langfristig die Motivation, die aus dem reinen Wollen entsteht, zerstört. Der Mensch wird müde durch seine Mühe und gibt sein Wollen auf, damit er den Schmerz loslassen kann.
In den meisten Fällen hat der Mensch nur den Drang eine Situation zu verändern, wenn er sie nicht mag bzw. ist der Drang zur Veränderung dann am Größten. Weil er eine Situation verändern will und glaubt, dass er nur genügend dazu motiviert wäre, wenn er unglücklich ist (sich schlecht fühlt), ist er unglücklich.
Und wie Du bereits erfahren hast, fühlt der Mensch eine andere Emotion, wenn er etwas nicht mag, als wenn er etwas mag (in Abhängigkeit zu seinen Kernwerten und Glaubenssätzen).
Wahrnehmung einer Situation → Abneigung → Emotion (z.B. Wut) → Drang zur Veränderung → Unglücklichseins als Motivation zur Veränderung
Da die wenigsten Menschen diesen Mechanismus kennen, setzen sie in diesem Beispiel die Wut mit Unglücklichsein gleich, obwohl die Wut aufgrund der Abneigung zustande gekommen ist und das Unglücklichsein durch den Drang zur Veränderung der Situation.
Was passiert, wenn wir Unglücklichsein nicht mehr zur Motivation nutzen, weil wir erkannt haben, dass es uns keinen Lohn bringt?
In diesem Fall fühlen wir weiterhin die Energie der Wut (würden sie jedoch eventuell nicht mehr als Wut bezeichnen), weil wir immer noch abgeneigt sind, was gerade um uns herum geschieht. Doch das wäre alles. Wir würden fühlen, was wir fühlen und es gäbe keinen Grund, weshalb wir uns zusätzlich noch schlecht fühlen sollten.
In meinem Artikel "Sich gut fühlen, wenn man sich schlecht fühlt" gehe ich detaillierter darauf ein.
Emotionen sind in erster Linie hormonelle Zusammenspiele, die wir als ein körperliches Gefühl wahrnehmen. Die herkömmlichen Bezeichnungen der Emotionen (wie in diesem Beispiel die Emotion der Wut) basieren auf der Annahme des Unglücklichseins. Das heißt jedoch nicht im Umkehrschluss, dass der Glückliche nicht die gleiche Energie wahrnimmt wie der Unglückliche.
Der Glückliche fühlt eventuell auch die Energie der Wut, aufgrund dessen, dass er nicht mag, was gerade geschieht. Doch es gibt keinen Grund, weshalb er sich nun noch schlecht fühlen muss.
Zur besseren Definition und Veranschaulichung kann man Emotionen in freudiges Fühlen und schmerzvolles Fühlen unterteilen.
Der Unglückliche ist schmerzvoll wütend, während der Glückliche freudig wütend ist. Das liegt daran, dass der Glückliche NICHT glaubt, dass die Wut seinem zukünftigen Wohlbefinden schaden will, sondern dem sogar dienlich ist.
Beispiel: Vielleicht hast Du Dir in Deinem Leben mal einen Horrorfilm angeschaut. Du gehst in solch einen Film mit der Intention des Grusels (Angst). Doch während des Films wirst Du die Energie der Angst eher freudig wahrnehmen, denn schlussendlich ist dies einer der Gründe gewesen, warum Du den Film schauen wolltest. Der Grund ist: Du glaubst nicht, dass Dir diese Angst zukünftig schaden will und Du hast ebenso keinen Grund, etwas verändern zu wollen. Im Gegensatz dazu gibt es sicherlich in Deinem Leben ein Beispiel, wo Du Angst gefühlt und als schmerzvoll wahrgenommen hast, weil Du geglaubt hast, dass Dir diese Angst eventuell zukünftig schaden könnte.
Jede Emotion lässt sich aus der Haltung des Glücklichseins oder Unglücklichseins wahrnehmen und dies äußert sich darin, ob wir freudig oder schmerzvoll fühlen.
Selbst Emotionen die häufig mit Glücklichsein in Verbindung gebracht werden (z.B. euphorische Freude), kann schmerzvoll gefühlt werden. Bipolare Menschen erleben dies sehr häufig. Aber auch Menschen die glauben, dass sie keine Freude verdienen, fühlen die euphorische Freude schmerzvoll. Warum? Weil sie glauben, sie bräuchten diesen Schmerz, damit das Gefühl weggeht (Unglücklichsein als Motivation).
Eine Verallgemeinerung hilft selten weiter. Die Aussage, dass es positive und negative Emotionen gibt, ist nichtig. Jede Emotion bietet von Natur aus gewisse Vorteile und Nachteile. Welches Päckchen wir erhalten, ist von unserer Haltung zu unseren Emotionen abhängig. Je mehr ein Mensch glaubt, dass eine bestimmte Emotion schlecht sei (seinem zukünftigen Wohlbefinden schadend), desto mehr Nachteile wird er wahrnehmen ... denn: Was er glaubt, wird ihm gespiegelt.
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